Wer am lautesten schreit – Ein Kommentar zur Querdenker*innenbewegung


Das entfernte Klingen von Stimmen, die durch ein Megafon verstärkt werden. Hupkonzerte, die durch das Echo der Häuser viel lauter erscheinen, als sie eigentlich sind. Lichter und Sirenen von Polizeiautos, schon auf dem Weg, um neue Ausschreitungen zu verhindern. Mittlerweile kennen wir sie alle, haben in den Nachrichten von ihnen gehört, in der Zeitung von ihnen gelesen, ihre Kundgebungen gehört - ohne überhaupt die Fenster zu öffnen - oder sie selbst auf der Straße getroffen. Die selbsternannten Querdenker*innen haben eines definitiv erreicht: Man kennt sie. Und das ist kein Wunder, denn sie teilen sehr klar mit, was sie erreichen wollen. Oder viel mehr, was sie nicht erreichen wollen. Einen Impfzwang zum Beispiel, der kein einziges Mal im Bundestag zur Debatte stand. Oder eine Maskenpflicht an Grundschulen, die womöglich noch ihre eigenen Kinder schützen würde.
Viele dieser Kinder nehmen sogar selbst an diesen Demonstrationen teil – unfreiwillig natürlich. Von klein auf möchten ihre Eltern sie bilden. Ein mögliches Trauma verhindern, das wohl eher durch die praktizierte Erziehung entsteht, und ihre Schützlinge zu freien Menschen erziehen. Freie Menschen, die sich der vermeintlichen Mundverbietung von ganz oben zu widersetzen wissen.
Dafür geht man sogar so weit, die aktuelle Lage mit der Shoa zu vergleichen. Schließlich hatten die Leute da auch keine Grundrechte. Wurden gewaltsam ermordet, verloren ihre Kinder, ihre Familien. Mit dem kleinen Unterschied, dass es da halt wirklich so war. Unter dem Nazi-Regime wurden über 6 Millionen jüdische Menschen ermordet, einfach so. Im Zweiten Weltkrieg starben insgesamt über 80 Millionen Menschen. Grob geschätzt leben heute in Deutschland so viele Leute. Im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg sprechen wir außerdem von grausamen Morden. Menschheitsverbrechen, die nicht in Frage gestellt werden können und dürfen. Im Krieg an der Front Gefallene, von den Nazis in Konzentrationslagern Getötete, auf der Flucht Verhungerte und Erfrorene. Menschen, deren Tode schrecklich und unendlich traurig sind. Menschen, deren Erinnerung wir wahren und erhalten müssen. Menschen, die ohne Grund ermordet wurden.
Heute leben wir in einem Land, das sich nicht im Krieg befindet und als sicher bezeichnet wird. Wir kämpfen, wie alle anderen Länder dieser Welt, gegen eine Pandemie, die die gesamte Menschheit bedroht. Eine Pandemie, die zu leugnen ein Verbrechen sein sollte. Eine Pandemie, die Millionen Menschen das Leben kostet. Und dennoch auch eine Pandemie, für die niemand die Schuld trägt. Sie wurde nicht von einem Land erfunden und in die Welt gesetzt, aus reiner Bosheit und Hass, also sollte sie auch nicht mit diesen Mitteln bekämpft werden.
Die Parallelen zum Zweiten Weltkrieg, die von Querdenker*innen gesehen werden, existieren schlichtweg nicht. Wir haben es hier mit einer völlig anderen Situation zu tun, die mit der damaligen in keinster Weise verglichen werden darf. Und dennoch wird behauptet, die deutsche Regierung würde eine Situation herbeiführen, die dem Deutschland der Nazizeit gleichkommt, indem sie die Grundrechte der Bürger*innen einschränkt beziehungsweise aussetzt. Was absolut nicht realitätsnah ist. Denn sind wir mal ehrlich – welche Grundrechte werden denn wirklich eingeschränkt?
Die Meinungsfreiheit? In Anbetracht der Tatsache, dass Demonstrationen von Leugner*innen der Corona-Pandemie stattfinden und sie ihre Lügen verbreiten dürfen, wohl eher nicht. Die Versammlungsfreiheit? Wird eingeschränkt, das kann man nicht leugnen. Die Frage sollte aber doch eher sein: Warum? Ganz einfach: um die Leute zu schützen. Damit sie sich nicht alle mit dem Virus anstecken, das sie so vehement anzweifeln. Außerdem ist man ein Stück weit auch selbst schuld, wenn man gegen Gesetze verstößt, die in ihrer Wichtigkeit unanfechtbar sind. Artikel 130 des Strafgesetzbuches besagt, dass die Leugnung, Billigung und Verharmlosung der Shoa verboten ist. Was erwartet man also, wenn man es trotzdem macht?
Auch die Verpflichtung zum Tragen einer Maske verstößt nicht gegen irgendein Grundrecht. Ja, es ist ein Eingriff des Staates ins Privatleben der Leute, auch in ihre Entfaltungsfreiheit, wenn man so will. Aber der Eingriff ist ja nicht unbegründet. Er soll Leben retten und Leben schützen. Denn im Gegensatz zu den Leugner*innen der Pandemie ist sich die Bundesregierung der Gefahr bewusst und versucht, diese zu bekämpfen. Mal wieder ein Beweis, dass die, die am lautesten schreien, nicht immer die weisesten Ansichten vertreten.
Ein unmöglicher Vergleich also, die Corona-Pandemie und die Shoa. Ironisch eigentlich, dass die personenanzahltechnisch sehr begrenzte Demonstration, die am 30.10.21 in Freiburg stattfand, sich zu ihrer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge zusammenfand. Und nicht nur ironisch – äußerst fragwürdig. Denn auch wenn wir sie nicht alle über einen Kamm scheren sollten, gehören sie doch zur gleichen Gruppe von Menschen. Einer Gruppe von Menschen, von denen nicht wenige die Shoa offen verharmlosen oder gar leugnen. Direkt neben einer Gedenkstätte, die an ebenjene erinnert. An Menschen, die in der Nacht des 9. November 1938 ohne Grund grausam ermordet wurden. Die vertrieben wurden, deren Häuser und Geschäfte niedergebrannt wurden, denen alles genommen wurde. Es handelt sich bei der selbsternannten Querdenker*innenbewegung generell um eine Institution, die äußerst kritisch beäugt werden sollte. Jedoch ist die Tatsache, dass ebendiese Bewegung sich auf einem Platz der Erinnerung versammelt, die sie nicht zu würdigen weiß, nicht nur fragwürdig, sondern grundsätzlich inakzeptabel.

 
Katja Hohe, 10b


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