Die Frau am Fenster - All together now (1)


Solidarität in der Corona-Krise

Ich kannte diese Frau nicht. Sie sagte mir, sie sei herzkrank. Dort saß sie an ihrem Fenster und schaute hinaus. Mit Mundschutz und Handschuhen. Immer wenn jemand vorbeikam, fragte sie die Person um Hilfe. Könnten Sie mir helfen, fragte Sie, ich bin herzkrank und… weiter kam sie nicht - die Leute sahen sie an und schauten mitleidig. Sie lächelten und gingen mit entschuldigendem Blick weiter. Die Frau gab nicht auf, sie versuchte es immer wieder. Aber jeder dachte nur an sich selbst, jeder dachte ich muss nach Hause, nicht stehen bleiben, niemandem zu nahe kommen. Und so beschloss die Frau irgendwann eben doch selbst einkaufen zu gehen. Mit dem Risiko, dass sie sich ansteckte und krank wurde, vielleicht starb. Aber niemand wollte ihr helfen. Weil alle so egoistisch waren und dachten, wenn ich mich nur nicht anstecke, dann kann alles gut werden. Dabei waren sie doch gar nicht so gefährdet. Wenn sie sich infizieren würden, lägen sie eben eine Weile im Bett. Vielleicht hatten sie deshalb solche Angst, sich zu infizieren. Weil sie Angst hatten, dass ihnen niemand helfen würde. Dass sie nichts zu essen kaufen könnten. Aber für mich wäre das kein Grund, nicht zu helfen, weil ich wüsste, dass man das Gleiche für mich tun würde. Aber diese Gewissheit haben die Leute nicht, die sich zu Hause einschließen und warten bis alles vorbei ist. Die sich nicht sagen, okay, wenn ich krank werde, dann wird mir auch jemand helfen und für mich einkaufen. Dann werde ich nicht allein sein, also kann ich auch dieser alten, herzkranken Frau helfen, die ihr Leben in Gefahr sieht. Aber so denken die Leute nicht. Sie denken nur an sich. Und es tut weh, das zu beobachten. Nachdem ich also eine Weile zugesehen hatte, ging ich absichtlich langsam an diesem Fenster vorbei und als die Frau mich ansprach, sah ich den hoffnungslosen Ausdruck in ihrem Gesicht und als sie mich fragte, ob ich für sie einkaufen gehen könne, da antwortete ich sofort, natürlich könne ich das machen. Sie sah so erleichtert aus, dass es mir das Herz brach. Wieso muss man so glücklich sein, nur weil ein Mädchen aus der Nachbarschaft meint, sie könne für einen einkaufen gehen? Sollte das nicht selbstverständlich sein? Solidarität ist so wichtig, gerade in einer Krise wie dieser. Man kann sich nicht einfach aufs Sofa setzten und die Menschen bemitleiden, die jetzt nicht einkaufen gehen können, weil sie ein schwaches Immunsystem haben, chronisch krank oder einfach alt sind. Man kann nicht lächeln, wenn man erfährt, dass jemand einem dieser Menschen geholfen hat und sagen, das ist aber schön, dass es Leute mit einem so großen Herzen gibt, wo man doch selbst zu diesen Leuten gehören könnte. Man könnte doch selbst rausgehen und schauen, ob man jemandem helfen kann. Man könnte doch Zettel mit seiner Telefonnummer aufhängen und Hilfe anbieten. Man könnte doch bei seiner betagten Nachbarin klingeln und fragen, ob man sie unterstützen kann. Warum nicht helfen, wenn man es doch könnte?

Text: Katja Hohe, 8c

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